Sonntag, 21. Februar 2010

Reisebericht NYC - 7.11., Van Cortlandt House Museum

Heute möchte ich Euch auf eine kleine Reise in der Vergangenheit mitnehmen. Und zwar ins...
... Van Cortlandt House Museum. Mit Grundsteinlegung im Jahr 1748 ist es das älteste Haus in der Bronx und eines der ältesten erhaltenen Häuser im Großraum New York.

Rund um das Haus befindet sich der Van Cortlandt Park, ein Naherholungsgebiet in der Bronx. Früher war das Haus der Herrschaftssitz auf einer Plantage, im Lauf der Zeit hat die Fläche sich natürlich verkleinert. 1889 hat die reiche Händlerfamilie Van Cortlandt nach 140 Jahren durchgängiger Bewohnung das Haus verlassen, weil die Adaptierung an die Moderne zu aufwändig gewesen wäre. Es gibt heute noch kein fließendes Wasser im Haupthaus (rechts im Bild), im Nebengebäude schien es welches zu geben, es ist aber eine Errungenschaft der Neuzeit. Und auch die Elektrizität, die im Haupthaus vorhanden ist, wurde erst im 20. Jahrhundert eingeleitet, nachdem das Haus bereits ein Museum war.

Das Haus wurde nämlich 1897 als Museum für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und in Originalzustände aus der Geschichte zurückversetzt.

Es war nicht ganz einfach, hier überhaupt Zutritt zu bekommen. Erst mal habe ich das Anwesen umrundet, bis ich draufkam, dass im niedrigen Anbau die Ticketverkaufsstelle ist. Der Zugang ist dann auch nicht über das Haupttor (siehe unten), sondern über die Tür in der Ecke des Haupthauses im oberen Bild.

Früher war da mal ein breiter Zugangsweg, der auf Bildern recht prunkvoll wirkt. Jetzt ist hinter meiner Position mehr oder weniger nur ein Zaun, man kann das Haus so im Moment nicht betreten.

Die Eingangstür von der anderen Seite. Die Halle dürfte für damalige Verhältnisse recht toll gewesen sein. Interessant ist auch die Tür, die in Teilen geöffnet werden kann. Allerdings schließt sie nicht richtig, wie man am Lichtspalt sieht - was könnte eventuell eine etwas zugige Sache gewesen sein.

Diese beiden Bilder sind im offiziellen der beiden Wohnräume entstanden. Hier fanden die Empfänge, Dinners und Bälle statt. Laut meinem Führer sind die Möbel original von der Familie. Viele Kleinigkeiten wie zum Beispiel das Porzellan kommt ebenfalls aus Privatbesitz der ehemaligen Besitzer. Ich frage mich, wie es für einen der ehemaligen Bewohner wohl wäre, hierher zurückzukommen. Ob sie das Haus wiedererkennen, oder ob sie sich vollkommen fremd fühlen würden. Wie es es bewerten würden, dass jetzt wildfremde Menschen durch ihr ehemaliges Zuhause stapfen und dieses für die Nachwelt als Museum erhalten wurde. Und was würden sie wohl sagen, wenn sie sehen würden, wie es jetzt rund ums Haus aussieht, wie die Zivilisation sich quasi durch ihre ehemaligen Ländereien gefressen hat.

Hierbei handelt es sich um den weniger formellen Wohnbereich. In diesem Raum wurde nicht mit kostbaren Materialen gearbeitet, sondern mit Farbe. In diesem Raum wurden Mahlzeiten eingenommen und wenn das Wetter schlecht war, haben hier auch die Kinder gespielt, wenn sie mit ihren Pflichten durch waren. Die Farben sollen übrigens eine Rekonstruktion des Zustands Ende des 19. Jahrhunderts sein.

Das Schlafzimmer der Erwachsenen. Das Empfinden der Privatsphäre war früher übrigens ein ganz anderes: in diesem Raum haben bei gesellschaftlichen Ereignissen auch schon mal an die 20 Menschen geschlafen. Es war ja nicht so, dass es in Steinwurfweite eine U-Bahn gab oder jedermann über ein Auto verfügt hat. Die Bronx war damals noch ziemlich weit entfernt vom bewohnten Manhattan. Dorthin zu gelangen, war quasi eine Tagesreise, man fuhr aufs Land. Ob in diesem Raum auch George Washington übernachtet hat? Dieser hat nämlich im Jahr 1776 hier sein Hauptquartier aufgeschlagen, um Strategien für den Unabhängigkeitskrieg zu planen. Das Anwesen hat also in mehrerelei Hinsicht historische Bedeutung.

Und hier noch einen Blick in der Kinderzimmer im obersten Geschoss. Hier sind die Kinder aufgewachsen, und haben die meiste Zeit verbracht. Es war nicht üblich, dass Kinder mit den Erwachsenen gegessen haben oder dass diese sich großartig mit dem Nachwuchs beschäftigt hätten. Es wird angenommen, dass dieser Raum erst im 19. Jahrhundert fertiggestellt wurde, weil er vorher noch nicht gebraucht wurde. Kindern wurde damals nicht wirklich viel Bedeutung zugemessen, und man hat sie nicht so emotional behandelt, sondern sie mussten im Haushalt mithelfen oder auf der Plantage, gemeinsam mit den Sklaven. Oft wurden sie auch schon in sehr jungen Jahren weggeschickt um bei Verwandten in die Lehre zu gehen.

Direkt gegenüber dem Kinderzimmer liegt dieser Raum, der "the unfinished chamber" genannt wird. Wie man sieht ist er nicht fertig ausgestaltet, und auch nicht isoliert. Es wird angenommen, dass hier Dinge gelagert wurden, und die Sklaven geschlafen haben, die sich um die Kinder gekümmert haben. Im Winter war es hier bitter kalt, so wie im ganzen Haus. Während es in den anderen Räumen aber Kamine gab, war hier nichts dergleichen installiert. Die Sklaven durften auch - bis auf wenige Ausnahmen, nicht im Haus übernachten, da ihre "Besitzer" ihnen nicht wirklich vertraut haben. Es wurde in der Nacht auch die Haustür verriegelt. Damit die Herrschaften aber nicht in der Kälte aufstehen mussten, hatten sie Seilzüge installiert, die ihnen vom Bett aus das Lösen des Riegels erlaubt haben, sodass sie warten konnten, bis die Sklaven Feuer gemacht haben.

Was ich nun so faszinierend finde an diesem Haus? Gereizt hat mich vor allem die Aussicht, mir ansehen zu können, wie die Menschen früher gelebt haben. Wie es war, ohne Strom und Wasser zu sein, wie es zugegangen sein muss. Vielleicht ist Euch aufgefallen, dass ich keinen Hygieneraum gezeigt habe - es gab keinen. Gewaschen hat man sich mit Wasser aus Schüsseln, erleichtert wurde sich in Leibschüsseln - und zwar in Gesellschaft, das war vollkommen normal. Unvorstellbar heutzutage!

Ich konnte mir richtig vorstellen, wie es hier früher zugegangen sein musste. Wie Damen in pompösen Kleidern durch die Räume gegangen sind, wie Sklaven sich um den Haushalt gekümmert haben, wie die Kinder fast unsichtbar sich herumgetrieben haben müssen. Ich denke mir, es muss zeitweise furchtbar gestunken haben, wenn man sich die Zustände ansieht, die geherrscht haben. Natürlich bezieht sich das eher auf die früheren als die späteren Zeiten.

Als ich dort war, hatte ich das Glück, dass ein Führer vor Ort war, der die Sachen sehr ausführlich erklärt hat. Es wird normalerweise für eine selfguided tour eine Viertelstunde veranschlagt, inklusive der Lektüre der Broschüre, in der die Funktion der Räume erläutert wird. Die Führung, an der zuerst noch ein Paar teilgenommen hat, das dann aber wieder wegmusste, hat weit über eineinhalb Stunden gedauert. An sich sind die Räume nicht zugänglich für Publikum, in den Türdurchgängen sind halbhohe Gitter, die das Betreten verunmöglichen. Auch hier habe ich wieder eine Sonderbehandlung genossen, weil der Führer sich scheinbar gefreut hat, dass mich das Ganze interessiert hat, und ich einen anderen Blickwinkel mitgebracht habe. Ich durfte dann auch in einige Räume hinein, und er hat mir sogar einen eigentlich streng gesperrten Bereich gezeigt - hat mich aber gebeten, da nicht zu fotografieren. Dem Wunsch bin ich natürlich gerne nachgekommen.

Alles in allem war dieser Besuch wirklich eine Art Zeitreise für mich. Ich wünsche mir ja häufiger Orte so sehen zu können, wie sie früher mal waren - in diesem Museum war es möglich. Den weiten Weg in die Bronx war dieser Besuch auf alle Fälle wert.