Freitag, 18. Februar 2011

Reisebericht Macon - 13. November 2010

Macon, noch nie gehört? Ging mir auch so, bis ich den Reiseführer durchstöbert habe und auf dem halben Weg zwischen Savannah und Atlanta auf dieses ziemlich unbekannte Georgia-Juwel stieß. Mit nicht ganz 100.000 Einwohnern ist die Stadt nur weniger kleiner als Charleston (125t) und Savannah (135t), wird aber wohl von den berühmten Nachbarn Atlanta und Savannah überschattet. Dabei hat die Stadt mit der Georgia Music Hall of Fame, der Georgia Sports Hall of Fame, dem Harriet Tubman African American Museum und dem Ocmulgee Monument einige Besuchermagneten und wird zu unrecht übersehen, denke ich.

Ja, auch wenn das aussieht wie der wilde Westen - es ist Downtown Macon ;) Wie so oft war ich erst einmal im Visitor Center und habe mich mit Infos eingedeckt. Wenn ich nicht im Hotel schon Broschüren und einen Stadtplan abstaube (gibt es in den meisten amerikanischen Motels gratis), dann ist das Visitor Center mein erster Anlaufpunkt. Oft bekommt man von den Angestellten noch den einen oder anderen guten Tipp mit auf den Weg und stößt auf etwas, das man selber vielleicht nicht gefunden hätte.

In diesem Fall waren die Tipps aber etwas wenig hilfreich, da ich einfach zur falschen Zeit dort war. Die nette Angestellte hatte mir zwei Cafés empfohlen, weil ich dringenden Koffeinbedarf hatte. Da es Samstag gegen Mittag war, hatte aber einfach alles in dem Städtchen ZU. Ketten wie Dunkin' Donuts oder Starbucks suchte ich ohnehin vergeblich, und alles, was einem klassischen Lokal entsprach, war geschlossen. Die beiden fahrenden Autos auf dem obigen Bild waren so ziemlich das Belebteste, was ich gefunden habe.

Dafür konnte ich bei knapp über 20° mitten auf der Straße lustwandeln und überall für Bilder stehen bleiben. Weihnachtsdeko habe ich reichlich vor die Linse bekommen, was mich aufgrund der Temperaturen irgendwie beständig irritiert hat. Andererseits sind wir hier ja auch auf der Höhe von Madeira, Marokko und Tunesien, Breitengradtechnisch, also hätte mich nichts wundern sollen.

Die Architektur ist dennoch mehr an die zentraleuropäische angelehnt, mit teilweise witzig anzusehenden Auswüchsen (im doppelten Wortsinn ;) ).

Rechte Winkel werden überbewertet, oder?

Jetzt aber ernsthaft! Die amerikanische Eigenheit, erst mal ein Straßennetz zu kreieren und dann die Parzellen so gut wie möglich zu nutzen, zeigt sich immer von der kreativen Seite, wenn aus irgendeinem Grund irgendwo von der Rechtwinkligkeit abgewichen werden muss.

Ich wüsste gerne, wie viele Architekten, Bauherren und Generationen an der Schaffung dieser Fassade beteiligt waren. Sowas kann doch nicht einem allein einfallen, oder?

Die kreuz und quer gespannten Stromleitungen habe ich ja schon erwähnt. So schlimm wie hier ist es dann aber meist doch nicht. Allerdings stellt diese Praxis auch für Fußgänger manchmal ein Hindernis dar: wenn ein Pfahl verankert werden muss, geschieht das oft durch ein, zwei Stahlseile, die mit dem Boden verspannt werden. Damit nun keiner drüberstolpert, der halbwegs gute Augen hat, werden über diese Seile gelbe Gummischläuche gezogen. Wer aber nun so entrückt durch die Gegend lustwandelt wie ich, und eher auf den Horizont als auf die Straße achtet, kann auch sowas Gelbes leicht ausblenden. Keine Sorge, Gleichgewichtssinn hat Schwerkraft überstimmt *gg*

Das Old Cannonball House. Diesen Beinamen hat es nicht von dem Richter, der auf die Deliquenten wie eine Kanonenkugel losgegangen wäre, sondern von dem tatsächlichen Beschuss im Bürgerkrieg - es blieb wirklich eine Kugel in der Fassade stecken.

Heute ist das Haus im Rahmen einer self guided tour für Besucher zugänglich und zeigt, wie reiche Südstaatler früher gelebt haben. Soweit ich erkennen konnte, wurde zwar der Geist der damaligen Zeit eingefangen, wirklich original ist aber nicht mehr viel.

Etwas wahrheitsgetreuer scheint es im ehemaligen Küchenhaus/Sklavenquartier zuzugehen. Strom gab es keinen, Verputzen oder Verkleiden der Wände wurde als überflüssig gesehen.

Das Hay House ist wohl der prunkvollste Bau in Macon. Er wurde ab 1850 im Stil eines italienischen Palazzo errichtet und mit allen Schikanen ausgestattet, wozu Strom, fließend heißes und kaltes Wasser sowie eine Gegensprechanlage für die Bediensteten gehörte. Leider war das im Haus befindliche Museum geschlossen - das hätte ich mir gerne angesehen.

Geöffnet hingegen war die imposante Georgia Music Hall of Fame. Klar, jede Stadt hat ihre großen Töchter und Söhne, aber wie viele Weltklassemusiker aus diesem Städtchen kommen, war schon verblüffend für mich: unter anderem wurden Otis Redding, Little Richard und Bill Berry (REM) hier geboren. Die Musikszene der Stadt hat scheinbar auch Menschen aus weiterem Umkreis angezogen und so hat Macon allerhand zum Musikgeschehen beigetragen. Diesem Umstand wird in dem toll aufbereiteten Museum Rechnung getragen, das neben dem oben gezeigten Nachbau eines Drugstores auch eine Gospelkirche, ein altes Kino, ein Diner und ähnliche Fassaden zu bieten hat. Hinter jeder davon entspinnt sich dann ein Teil der Musikgeschichte.

Gut gefallen hat mir auch der Nachbau des Hinterausgangs eines Studios. Links und rechts davon sind Schaukästen, in denen sich allerhand Memorabilia befinden, samt und sonders von Künstlern mit Lokalbezug. Jedes Jahr werden weitere "inductees" aufgenommen, die sich für diese Ehre entsprechend verdient gemacht haben müssen. Jeder wird hier nicht vor- und ausgestellt. Überall erklingt Musik aus Lautsprechern, vor vielen Glaskästen hängen Kopfhörer und eine Playlist, im Diner steht eine Musicbox. Alleine um die Musik ansatzweise durchzuhören, wären mehrere Besuche erforderlich.

Den Abschluss meines Aufenthalts in Macon hat das Ocmulgee National Monument gemacht, eine alte Kultstätte der Ureinwohner. Das Besucherzentrum hat eine tolle Einführung in die "Indianer"-Kultur der Gegend zu bieten. Dann wir der Besucher ins Gelände entlassen. Unter dem Erdhügel befindet sich der rekonstruierte Versammlungsraum der Häuptlinge, der zwar durch Glas abgeschirmt aber immerhin zugänglich ist. Die anderen Kultstätten auf dem Gelände kann man entweder erwandern oder - typisch amerikanisch - mit dem Auto erkunden. Da der Sonnenuntergang und somit die Parkschließung nahte, habe ich letzteres gemacht *gesteh*

Dieser Besuch hat für mich gezeigt, dass man nicht immer nur die großen Dinge berücksichtigen sollte, sondern auch kleine Städte viel zu bieten haben. Wenn auch keinen Kaffee in der Innenstadt am Wochenende ;)