Mittwoch, 16. Februar 2011

Reisebericht Charleston - 11. November 2010

Meine Lieblingsstadt auf dieser Reise war Charleston. Da hat für mich einfach alles gestimmt und ich war traurig, dass ich mir nur einen Tag Zeit dafür nehmen konnte. Ein zweiter hätte aber wohl keinen besonderen Mehrwert an Erlebnis und Erkenntnis gebracht, weswegen ich mich schwerzen Herzens wieder verabschiedet habe. Aber ich denke, hierhin werde ich irgendwann zurückkehren, mit prall geladenen Kamera-Akkus und viel Zeit zum Fotografieren. An jeder Ecke ist mir etwas begegnet, das ich ablichtenswert fand.

Mein allerliebstes Lieblingsmotiv waren die Palmen. Als ich nach Charleston reingefahren bin (ich habe etwas außerhalb, quasi direkt neben einem Outletcenter übernachtet), habe ich die ersten Palmen auf der Reise gesehen. Obwohl ich wusste, dass sie da sein würden, haben sie mich irgendwie überrascht, ich hab leise vor mich hingekichert und mich sehr an dem ungewohnten Anblick erfreut. Ist es nicht schön, wenn Kleinigkeiten den Tag so viel besser machen?

Was mir auch sehr gut gefallen hat, ist die "Südstaatenarchitektur" - so habe ich mir den kultivierten amerikanischen Süden vorgestellt mit den doppelstöckigen Veranden, helle, freundliche Farben. Ein Städtchen wie aus dem Bilderbuch, mein persönlicher Südstaatentraum.

Das könnte doch glatt eine Filmkulisse sein, oder? Wären da nicht die Straßenmarkierungen, könnte man sich glatt um Jahrhunderte zurückgesetzt fühlen. Das rosafarbene Gebäude ist übrigens ein Hotel, aber ich denke, die mehrl als 200$/Nacht wäre mir der Spaß nicht wert, auch wenn ich dann mitten im Historic District wohnen würde.

Das ist eines jeder Gebäude, die mir am besten gefallen haben: Greek Revival Style mit amerikanischer Flagge und Palmen - eine wunderbare Kombination. Wie die meisten dieser hochtrabenden Gebäude hat auch dieses eine öffentliche Funktion.

An diesem Gebäude haben mich die vielen verschiedenen Fenster fasziniert. Ich vermute zwar Absicht des Baumeisters und kein Beschaffungsproblem, aber witzig ist es auf alle Fälle.

Viele Häuser in der Stadt sind mit Erklärungstafeln versehen mit Hilfe derer man ein bisschen in der Geschichte stöbern kann. Oft kommt auch noch etwas wissenswertes dazu: der doppelte Treppenaufgang hier ist dazu gedacht, dass Männer und Frauen das Gebäude getrennt voneinander betreten können, damit die Herren den Damen beim Hochsteigen nicht auf die Knöchel sehen können. Meine Güte, wenn so ein Knöchel heute noch tabu wär, dann würde einem so mancher Anblick von allem möglichen erspart ;)

Manche Auswüchste der doppelstöckigen Veranden-Bauform haben mich doch etwas erstaunt. So wie hier, wo die Haustür direkt auf die Veranda führt. Irgendwie kommt es mir seltsam vor, die Veranda so abzuschotten, denn man braucht ja nochmal eine ordentliche Türe, damit man von da ins Haus kommt. Für mich hat das ein bisschen das Prädikat "sinnfrei" verdient.

Diese Art von Architektur scheint mir irgendwie nicht so wirklich an diesen Ort zu passen. Sie kommt mir zu ernst, zu schwer, zu erhaben vor. Der Kontrast gefällt mir allerdings sehr gut. Kirchen sind in Charleston auch kein so besonders häufiger Anblick, da gibt es Städte, in denen man viel öfter mit religiösen Stätten konfrontiert wird.

Erklärung??? Eventuell wurde hier ein Stock, abgetragen, aber warum blieb dann nur die Frontfassade stehen und die auf der Seite nicht? Und überhaupt wären Fenster in der Höhe auch eher nicht angebracht gewesen, wenn hier noch ein Stockwerk drauf gewesen wäre. Man muss nicht alles verstehen, denke ich.

Halbe Hausnummern? Das ist herzig! Vor allem weil die Haustür auch nur halb so breit zu sein scheint wie die der ganzen Hausnummer nebenan.

Die King Street, sozusagen die Charleston'sche Flaniermeile. Da ist ein Geschäft nach dem nächsten. Für's Shoppen war da aber keine Zeit, ich war nur in einer Cupcake-Bäckerei und hab mir ein himmlisches Törtchen gegönnt. Die Läden sahen aber weniger nach Kette aus sondern mehr nach kleinen Einzelhändlern. Sehr gut hat mir auch gefallen, dass Charleston keine Hochhäuser hat, keine glänzenden Downtown, sondern mehr nach Kleinstadt aussieht und das historische Erbe pflegt.

Was bei Charlestons Museumsreichtum nicht zu kurz kam, waren Besuche in Museen und historischen Stätten, auch wenn es mir fast leid tat um den wunderschönen Tag.

Das Slave Mart Museum stand ganz oben auf der Liste jener Dinge, die ich unbedingt sehen wollte. Die Sache mit der Sklaverei geht mir ja immer noch nicht so ganz ein. Ich kann nach wie vor nicht verstehen, wie Menschen der Meinung waren, andere Menschen besitzen zu können - unabhängig von der Hautfarbe. In den drei USA-Besuchen in den letzten zwei Jahren habe ich versucht, mich dem Thema von verschiedenen Seiten anzunähern und versuchen zu verstehen, was damals in den Menschen vorgegangen sein muss. Ich bin relativ wenig erfolgreich dabei, obwohl ich doch gewisse Aspekte etwas besser nachvollziehen kann. Mit meiner (immer wieder hinterfragten) Sozialisierung, die mein gesamtes Denken, Handeln und Empfinden diktiert, ist das Ganze aber nach wie vor einfach nur als abscheulich und unmenschlich zu sehen.
Das Museum selber ist im erhaltenen Teil des ehemaligen Skalvenmarkts angesiedelt, der Auktionshalle sozusagen. Die Zellen im Hinterhof und weitere Nebengebäude stehen nicht mehr. Im Museum selber ist aus Pietätsgründen das Fotografieren verboten - und die Regel wurde auch exerziert, wie ich feststellen konnte, als eine amerikanische Touristen auf Geheiß der sehr strengen afroamerikanischen Dame am Eingang ihre Bilder löschen musste. Der Sklavenmarkt in Charleston war damals der Ort, an den man musste, wenn man einen guten Sklaven wollte - entsprechend populär und gut besucht waren die Auktionen. Die Ausstellung zeigt das Thema von verschiedenen Seiten, unter anderem wird die Reise beleuchtet, die viele nicht überlebt haben, es werden die Tricks gezeigt, die die zu Verkaufenden anwandten, um ihren Preis zu senken, Preistafeln werden in Relation zu heutiger Währung gesetzt, Berichte von Sklaven und ihren Besitzern gezeigt. Für mich war der Besuch sehr wertvoll, weil sich doch einige neue Facetten aufgetan haben, und ich kann das Museum nur empfehlen.

Das ehemalige Pulverlager der damals befestigten Stadt Charleston war ebenfalls einen Besuch wert. Wie in den immer wieder stattfindenden Schlachten angegriffen wurde, wusste ich bereits von anderen Gelegenheiten, hier habe ich einen Einblick in die Verteidigung bekommen. Das Tor links wurde erst später hinzugefügt, hier sieht man ebenso wie an der Säule rechts, wie dick die Mauern sind. Es sind unter anderem Kanonen und ein Pranger ausgestellt, aber auch allerhand Kriegsgerät und Modelle der Stadt.

Quizfrage: Was ist das?
Antwort: Es ist, was ich dachte, dass es sei, obwohl ich nicht glauben konnte, dass es eines ist. Vor allem nicht, als ich erfahren habe, wann dieses Ding eingesetzt wurde: Es handelt sich um ein U-Boot aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg (1860er Jahre!). Zwar nur um ein Modell, aber eines in Originalgröße, wenngleich bei der Hebung des Originals in den 1990ern festgestellt wurde, dass es nicht 100%ig korrekt ist. Der höchste Punkt ist nur knapp über meinem Scheitel, Menschen konnten sich darin also nur gebückt vorwärts bewegen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie das gewesen sein muss. Die Pioniere der Unterseefahrt müssen sehr mutig gewesen sein.

Dieser Wal hängt von der Decke des Charleston Museum, auf dessen Vorplatz das U-Boot steht. Wenn ich einen Preis an das verschrobenste, entzückendste Museum vergeben müsste, in dem ich je war, dann würde dieses hier gewinnen. Es zeigt ein absolutes Sammelsurium an Exponaten, deren Bezug zur Stadt streckenweise nur schwer nachvollziehbar ist. Bei Eisentoren, Besteck und Kronleuchtern sagt man ja nichts, im Gegenteil, das passt.
Aber was machen diese selbst aus der Entfernung betrachtet ganz offensichtlich nachgemachten ägyptischen Büsten und Figuren hier? Als ich die Erklärung las, musste ich herzlich lachen und fand die Selbstironie der Museumsbetreiber toll: Es gibt eine ganze Abteilung, die die frühe Geschichte des Museums selber beleuchtet. Damals, als einfach mal angefangen wurde, Dinge zu sammeln, die man präsentieren kann. Mit dem Gründungdatum 1773 reklamieren diese Museum die Ehre für sich, das älteste in Nordamerika zu sein. (hatte ich das nicht in Plymouth schon mal gehört? Da ist das Gründungsdatum aber 1824. Eventuell beziehen die sich auf das Gebäude, das immer dasselbe war, wohingegen die Charlestoner auch umgezogen sind). Wie damals nicht selten, wurde das Museum in einem Brand zerstört, und musste neu aufgebaut werden. Die Kuratoren wollten ihren Besuchern etwas Besonderes bieten und haben sich von Museen aus aller Welt, vor allem aber London (britische Kolonie, eh scho wissen) Kopien derer bester Stücke geholt.

Original und echt, teilweise aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert und irgendwie ein bisschen schauderhaft sind hingegen diese Tierchen, die in flüssigkeitsgefüllten Gläsern vor sich hinschlummern und ebenfalls einen Rückblick in längst vergangene Museumstage bieten.
An state-of-the-art-Präsentation erinnert hingegen der Bereich, in dem der Bürgerkrieg aus Charlestoner Sicht geschildert und mit entsprechenden Dingen untermauert wird. Hier sind wir dann auch wieder im "normalen" Museumsbereich, der so wirkt, wie ein Museum eben heute sein sollte. Nach dem Ausflug durch Flora und Fauna, wo sogar ein Eisbär (!!) gezeigt wird, ist das doch eher, was ich erwartet hätte.

Womit ich im Aiken-Rhett-Haus zu rechnen hatte, wusste ich nicht. Der Reiseführer hat es als altes Haus eines Richters beschrieben, das besichtigt werden kann. Dieses Haus gehörte somit einem wichtigen Mitglied der Gesellschaft und war entsprechend repräsentativ. Der Weg durch die Haustür führte dann sogleich in den Keller, wo man einen Audioguide ausgehändigt bekam. Dieser führte einen im eigenen Tempo durch die verschiedenen Gebäude des Anwesens und die Räume des Haupthauses. Fotografieren war leider nur außen erlaubt, was extrem schade ist, da Worte den Zustand des Hauses kaum beschreiben können. Nach Mount Vernon im perfekten Erhaltungszustand hat mich das hier doch ziemlich geschockt. Andererseits ist es vermutlich eine einmalige Gelegenheit, so ein Haus zu sehen zu kriegen. Es wurde innerhalb der Familie immer weiter vererbt, aber die Erben hatten irgendwann nicht mehr das nötige Geld, um das Haus zu erhalten. So wurden die meisten Räume zugesperrt und dem Verfall überlassen. Diese Vorgangsweise ist natürlich traumhaft für die Historiker, die so wunderbare Einblicke in das damalige Leben bekommen haben. Für einen Besucher, der normalerweise von allem eine polierte Version bekommt, ist es dennoch etwas irritierend, wenn er sieht, wie Tapetenreste mit ordinären Pinnägeln an der Wand fixiert werden, um dann restauriert zu werden. Nach dem anfänglichen Schreck fand ich es aber außerordentlich interessant, mir das so ansehen zu können und hoffe, dass ich irgendwann an anderer Stelle auf etwas ähnliches stoßen werde.

Der Anblick auf die dem Hinterhof zugewandte Seite. Früher führte eine Art Allee, von Magnolien gesäumt, vom hinteren Tor zu den Ställen (rechts im Bild) und dem Hintereingang (Mitte rechts). Die Sklaven wohnten in dem Gebäude auf der linken Seite, wo sich auch eine Küche befand. Alles in allem war das ein sehr spannender Einblick in das Leben, das die Menschen ganz oben auf der sozialen Leiter damals geführt haben. Früher konnte ich nie verstehen, wenn in Büchern die Rede davon war, dass in großen Häusern einzelne Räume versperrt und nicht benutzt wurden bzw. diese nur zu besonderen Gelegenheiten herausgeputzt wurden. Nachdem ich das Haus gesehen habe, kann ich das verstehen - es ist für eine Familie viel zu groß, ohne Bedienstete kaum sauber zu halten und schwerlich zur Gänze bewohnbar.

Ein bisschen hab ich mich wohl in Charleston verliebt. Die Stadt bringt mich zum Lächeln und der Anblick der Bilder macht mein Herz leicht und froh. Was auf den Fotos kaum zu sehen ist, was mich aber doch etwas gestört hat, sind die Stromleitungen, die überall frei hängend verlaufen. Das scheint aber in kleineren Städten in den USA recht häufig. Mit 125000 Einwohnern ist Charleston schwerlich ein großer Ort. Generell erschienen mir die Leute aber eher reich, die Häuser sind bis auf wenige Ausnahmen gepflegt und es standen zum Teil ziemlich teure Autos einfach so auf der Straße rum. Sollte es mich tatsächlich mal für länger in die USA verschlagen, wäre Charleston einer jener Orte, an denen ich gerne wohnen würde. Egal was sonst passiert - da muss ich eines Tages wieder hin.