Donnerstag, 16. August 2012

Reisebericht Route 66 - Fahrbarer Untersatz

22 Kalendertage
21 Nächte
17 Hotels
9300 Kilometer (5755 Meilen)
3 Zeitzonen
14 Bundesstaaten
Sonne, Regen, Schnee und Sturmwind
40 Grad Temperaturunterschied
unzählige Shoppingtouren
23 Kilo Zusatzgepäck

Um aus all diesen Zahlen eine erfolgreiche Reise zu stricken, braucht man ein zuverlässiges Auto. Oder - wie in meinem Fall - zwei. Plus einen Ölwechsel. Dann ist aber wirklich alles chillig *gg*


Als ich an Thanksgiving, einem DER Reisetage überhaupt, in Chicago gelandet bin, war die Auswahl bei der Mietwagenstation gelinde gesagt "bescheiden". Ich fuhr dann mit diesem Crown Victoria vom Hof - ein Auto, das der gemeine Mitteleuropäer als gelbes Taxi in New York oder als Polizeiauto kennt. Gebaut wird das Ding seit 1979, also seit meinem Geburtsjahr. Ebenso wie ich gereift bin und mich verbessert habe, ist sicher auch ein neuer Crown Vic mittlerweile etwas moderner. Aber immer noch eine Schiffsschaukel... Vom Flughafen ins Hotel waren es keine 30 Kilometer, aber ich hatte höllische Kreuzschmerzen. Mit Bremsen hatte es das Ding auch nicht so. Schwupps, schon sah ich meinem laaangen Trip mit Furcht entgegen.

Am nächsten Tag habe ich dann bei der Autovermietung angerufen und gefragt, ob ich das Auto tauschen kann, weil ich damit nicht glücklich sei. Da Kundenservice sehr weit oben steht auf der Liste amerikanischer Tugenden, wurde ich gebeten, das Auto vollgetankt zu retournieren, es gäbe jetzt wieder etwas mehr Auswahl, ich bekäme ein anderes Auto in der gebuchten Klasse. Nicht nur, weil das Teil keinen Bordcomputer und ziemlich antiquierte Armaturen hatte, war ich dankbar, als der Vic beim Vermieter zum Stehen kam und ich zum nächsten Vehikel geführt wurde:

Ein Ford Taurus, Modelljahr 2012, mit 6000 Meilen auf der Uhr. Ich hab die Tür aufgemacht, den wuchtigen Mitteltunnel gesehen und gedacht "My car is my castle". Nach der ABC-Serie hat er dann auch seinen Namen bekommen: der Taurus hieß für mich "Rick" ;-)

Hach, das war doch gleich was anderes. Keine durchgehende Sitzbank, sondern ein anschmiegsamer Einzelsitz. Licht, mit dem man auch was gesehen hat. Eine gewisse Agilität, so viel man halt von einem 2-Tonnen-Auto erwarten kann.

Schon nach wenigen Kilometern war klar - das ist Liebe. Wär das Teil nicht 5,2 m lang und auch sonst ziemlich wuchtig gewesen, hätte ich es in mein Gepäck gesteckt. Mein bislang liebster Leihwagen, so einen hätte ich gerne wieder.

Mit fast 300 PS ausreichend motorisiert und im Vergleich zu früheren Modellen durchaus schnittig, hat dieses Auto richtig Spaß gemacht.

Der Taurus ist auch ein recht beliebtes Auto. Er fährt in der oberen Mittelklasse und ist im Straßenbild nicht ganz selten. Den "kleinen" Bruder Fusion (ganz anderes Auto als der hiesige Ford Fusion) ist zwar noch häufiger, aber ich find den Taurus deutlich hübscher.

Der Klassiker mit der Aufschrift auf dem Spiegel. Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass die im Vergleich zu europäischen Spiegeln weiter weg sind, aber das hat sicher Haftungsgründe. Die "Zweitspiegel" sind zur Vermeidung des toten Winkels ganz praktisch.

Moderne Armaturen, Bordcomputer mit mehreren Modi - das Spielkind in mir war begeistert. Der hier angezeigte Verbrauch von 34 Meilen/Gallone entspricht ca. 6,8 l/100 km. Das war der niedrigste Verbrauch, den ich hinbekommen hat, im Durchschnitt hab ich ca. 8 l/100 km durchgezogen, was ich für die Eckdaten extrem vernünftig finde. Geholfen hat sicher das stufenlose Automatikgetriebe, das bei 70 mph noch deutlich unter 2000u/min produzierte. Nur wie immer bei Automatik-Autos: Bis die Pferdchen mal zum Rapport kommen, dauert's ein Gedenksekündchen mit heulender Geräuschkulisse.

Innenraumbilder sollte man machen, wenn es hell ist. Die Regel habe ich nicht befolgt. Den wuchtigen Mitteltunnel und die daraus resultierende Geborgenheit kann man meiner Meinung nach aber erkennen.

Ablage unter der Mittelarmlehne - da hatte ich schon Autos mit mehr Platz, aber für den gängigen Krimskrams (Kaugummis, Peanutbutter-m&m's, Labello, Quarters) ausreichend. Getränkehalter waren zum Glück ebenfalls vorhanden - ein Auto ohne Möglichkeit, eine kleine Flasche abzustellen, ist für mich kein Reisemobil. Ja, auch Flaschenhalter haben dem Crown Vic gefehlt.

Eines der Lieblingsfeatures war das Sirius XM-Satellitenradio. Zusätzlich zu FM und AM-Sendern bekommt das auch Sender über Satellit. Davon stehen weit über 100 Stück zur Verfügung, die meisten davon werbefrei. Es gibt Musik, Info, Talk-Radio, Comedy und vieles mehr. Meine Lieblingssender (60er, 70er, Rock, NPR und CNN) waren bald gefunden und eingespeichert. Wenn die lokalen Sender mal wieder nur Christen-Radio hergegeben haben, habe ich mir über Satellit was Nettes geholt. Leider kann ich das hier nicht empfangen, ich hätte mir sonst glatt ein Abo geleistet.

Auf dem Weg quer durch Nevada wurde es auf einmal SEHR kalt. Die 6 Grad sind Fahrenheit, nicht Celsius! Das entspricht -14 Grad Celsius! Kurz fiel die Temperatur noch etwas weiter, bevor sie sich wieder in den zweistelligen Bereich bewegt hat, somit also in die einstelligen Minusgrade für Europäer. und der 70er-Kanal spielte munter was von "It never rains in Southern California" - als ich dort war, hatte es über 20°. Aber die Heizung funktionierte gut, im Auto war nichts von der klirrenden Kälte zu merken.

Etwas schwächlich in Anbetracht der 5,2 m Außenlänge (=S-Klasse-Format) - der Platz auf der Rücksitzbank. Aber mehr als etwas Wasser und meine Jacken mussten dort ja nicht Platz haben. Und einer der beiden Schneebesen, die vorsorglich ins Auto gepackt worden sind. In Flagstaff musste ich dann auch wirklich einen davon verwenden - damit hatte ich nicht gerechnet...

Der Kofferraum - irgendwie ist nur schwer darstellbar, wie groß das Ding eigentlich war (500+ l, wenn ich mich recht entsinne). Mit meinen paar Einkäufen war der schwer unterfordert *gg* Somit hatte ich aber keine Troubles und konnte einfach alles ins Auto werfen und hatte noch Platz. Wenn ich allerdings was haben wollte, das an die Rücksitzlehne geküllert war, hatte ich deutliche Probleme und schmutzige Klamotten.

Die 500 Euro für die dreiwöchige Miete waren sehr gut investiert, finde ich. Ein Kleinwagen wäre nur ca. 100 Euro billiger gewesen, hätte aber nie diesen Komfort gehabt. In Europa fahre ich gerne kleinere Autos mit Handschaltung, in den USA ist ein großer Cruiser mit Automatik immer meine erste Wahl, weil das einfach viel besser zum Land und den Fahrgewohnheiten passt. Nicht zuletzt der gute Tempomat hat es mir im Zusammenspiel mit dem sehr angenehmen Auto leicht gemacht, mich (halbwegs) an die Geschwindigkeitsbegrenzung zu halten. In Amerika ist alles etwas größer, auch die Parklücken, also gab es da keine Probleme. Aber auch seitwärts einparken, etwas, das mit einem längeren Auto rasch mal zur Herausforderung wird, war easy. Das Fahrverhalten war immer gleichbleibend gutmütig, auch auf Regen und Schnee. Einmal hab ich ihn kurz zum Driften gebracht, das war nicht ganz so lustig, weil das Auto da doch sehr behäbig reagiert hat. Ist halt auf Komfort statt Sportlichkeit ausgelegt.

Schweren Herzens habe ich ihn nach über 9000 Kilometern zurück gegeben und mich ein bisschen geärgert, dass man sowas in Europa nicht kriegt. Andererseits: Wo würde ich einen Rick parken, wenn Cecilia, die 90 cm kürzer ist, hier manchmal schon kämpft, damit sie eine Lücke findet...?