Montag, 20. Juli 2009

Reisebericht V: Das religiöse Gesicht Manhattans

Jetzt ist es schon über zwei Monate her, dass ich aus New York zurückgekehrt bin. Aber der Urlaub ist immer noch stark in meiner Erinnerung verankert, und ich denke oft zurück an Dinge, die ich dort gesehen und erlebt habe. New York ist ja nun wirklich “überall”, die Stadt verfolgt einem regelrecht. Man muss nur den Fernseher anmachen und eine Serie erwischen, schon hat man irgendeinen Bezug zum Big Apple. Außerdem juckt mich mittlerweile schon wieder das Fernweh. Ich versuche es mit einem Trip nach Paris zufrieden zu stellen, aber eigentlich lechzt es nach mehr. Im Moment habe ich einen Deal mit meiner Reiselust: Wenn ich New York aufgearbeitet hab, dann darf ich wieder weg. Also mal ran an die Erinnerungen…

Obwohl ich eine Wochenkarte für die MTA hatte, bin ich in New York sehr viel zu Fuß gegangen, nicht zuletzt, weil ich finde, dass das eine wunderbare Möglichkeit ist, eine Stadt kennenzulernen. Was mich immer wieder frappiert hat, war die unglaublich riesige Anzahl religiöser Stätten: Kirchen, Synagogen, Gebetshäuser, Leseräume. Verständlich einerseits, dass viele unterschiedliche Volksgruppen verschiedene Religionen haben und somit natürlich jede ein Gotteshaus haben möchte. Auch klar, dass bei der Anzahl der Menschen, die hier auf engstem Raum leben, viele Versammlungsstätten benötigt werden. Aber dennoch finde ich die Anzahl und Vielfalt der Kirchen beeindruckend einerseits und fast schon beängstigend andererseits. Schließlich scheint New York in der Außenwahrnehmung ein Ort der Oberflächlichkeit und des Konsums zu sein, keiner, der besonders zur Spiritualität einlädt. Aber andererseits ist die Geschichte New Yorks untrennbar mit vieler ihrer Kirchen verbunden. Eine nach der anderen waren sie die höchsten Gebäude, bis jemand anfing Wolkenkratzer zu bauen. Und während andere Gebäude weichen mussten, um Platz für effizientere Raumnutzung zu machen, blieben die Kirchen stehen.

Für mich als überzeugte Atheistin sind Kirchen von der Wahrnehmung her nicht in erster Linie Gotteshäuser, sondern Zeugnisse aus vergangenen Zeiten, die überdauert haben, während andere Gebäude dem Erdboden gleich gemacht wurden. Sie sind “Zeugen” und Mahnmale. Auf Reisen und Besichtigungstouren betrete ich auch immer wieder Kirchen, hauptsächlich wegen ihrer Geschichte und Architektur. In New York, das so reich an interessanten Kirchen ist, habe ich das leider nicht geschafft, habe nur die eine oder andere von außen passiert und fotografiert, wenn sie sich in spannungsgeladener Nachbarschaft befunden hat.

k_unauffaellig1k_unauffaellig2So hoch sie früher auch gewesen sein mögen, heute verstecken sie sich häufig hinter ihren viel höheren Nachbarn und sind auch von oben eher schwer zu entdecken.

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Fast werden sie von den Wolkenkratzern erschlagen, so wie hier vis a vis dem Disneystore 5th Avenue Ecke 55th Street.

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Auch die Lexington Avenue ist ein guter Platz für Kirchen, auch wenn sie viele weltliche Nachbarn haben. Die mit den goldenen Kuppeln habe ich mit Müh und Not via Googlemaps wiedergefunden, da war ich mir nicht mehr sicher, wo das Bild aufgenommen wurde.

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“Artgerechter” scheint es für diese Kirchen in der Park Avenue zuzugehen, obwohl sie zum Teil dicht nebeneinander stehen.

k_chinatownOb die Kirchgänger dieser christlichen Kirche mitten in Chinatown wohl aus dem nahen Little Italy kommen? Ich nehme nicht an, dass das Christentum unter Chinesen in Manhattan besonders verbreitet ist.

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In den Streets finden sich interessante Dinge. Die Griechische Kirche befindt sich irgendwo zwischen 5th Avenue und 7th Avenue bzw. 50th bis 57th Street. Jetzt wär Geotagging interessant, genauer find ichs nicht mehr raus. Interessant finde ich besonders die Kirche als Basis für ein Wohnhaus. So sieht also “sich auf göttlicher Hilfe ausruhen” aus? ;)

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Was ich leider nur gedanklich aufgenommen habe, nicht aber bildlich festgehalten (im Nachhinein komm ich drauf, ich hab eigentlich zu wenig Fotos gemacht, aber das ist eine andere Geschichte), ist das Zusammentreffen unterschiedlicher Religionen in direkter Nachbarschaft. Abseits der Avenues finden sich in den Straßen oft Seite an Seite die absonderlichsten Glaubensrichtungen mit wirklich fantasievollen Namen. Diese haben keine richtigen Kirchen, wie man sie so kennt, sondern Versammlungsräume, die in ganz normalen Häusern untergebracht sind. Die Zeugen Jehovas wiederum machen in Brooklyn ganz ungeniert großflächig Werbung auf hohen Gebäuden. Es hat etwas gedauert, bis ich “The Watchtower” in den richtigen Kontext gesetzt habe… Und immer wieder bin ich über christliche Leseräume gestolpert. Wofür die gut sein sollen, ist mir zwar bisschen schleierhaft, aber warum sollte es bei dem mannigfaltigen religiösen Angebot nicht auch sowas geben?

Eine nähere Betrachtung des Phänomens Religion in Manhattan wär sicher etwas, dem ich mich bei einem weiteren Besuch von Manhattan widmen werde. Und dann werde ich auch die bekannten großen Kirchen von innen betrachten. Man sollte sich ja immer was aufheben ;)