Donnerstag, 28. Juli 2011

Reisebericht Gettysburg - 01.04.2011

Das 1786 gegründete Städtchen Gettysburg im ländlichen Pennsylvania scheint auf den ersten Blick mit seinen nicht mal 8000 Einwohnern kein großer Touristenmagnet zu sein. Dann aber lassen wir den Namen nachklingen, und diejenigen von uns, die sich mit Geschichte beschäftigen, hören vielleicht ein fernes Glöckchen klingeln: Da war doch was mit Bürgerkrieg und Lincoln... Für die Shopping-Victims unter uns: Es gibt dort ein Outlet-Center ;)

Als brave Touristen haben wir uns erst mal mit dem geschichtlichen Teil auseinandergesetzt. Es gibt ein großes Museum zum Bürgerkrieg, das ich leider im November 2009 bei meinem ersten Aufenthalt in der Gegend nicht geschafft habe. Seither hatte sich dann auch ein bisschen was getan, und das Museum war nicht mehr an der Stelle, an der mein Reiseführer es angegeben hatte. Einige Hinweisschilder später sind wir dann am richtigen Ort gelandet, wo erst mal dieser Anblick meine Kamera beschäftigt hat:

Hier gibt es doch tatsächlich Stellplätze für "green vehicles". Ja, der Prius ist blau, aber weil er umweltfreundlich ist, gilt er als "grün". Die beiden Bomber im Hintergrund haben sich ihre Parkplätze frech geklaut - an den Dinos ist nichts verbrauchsarmes dran. Wie man sieht, war diese Reservierung auch absolut notwendig, sonst wäre ja gar keine Abstellmöglichkeit mehr gegeben ;)

Obwohl das Museum und das Schlachtfeld vom National Park Service betreut werden, ist auch hier eine Eintrittsgebühr fällig (die meisten anderen NPS-Museen sind gratis). Die 9,50$ habe ich aber gerne bezahlt, wenn dafür das Schlachtfeld und das Cyclorama erhalten bleiben können. Das war nämlich für mich die große Überraschung: Nach einem Einführungsfilm ging es in einen großen, kreisrunden Raum, in dem die Schlacht mit Lichteffekten auf einem großen Gemälde dargestellt wurde:

Das 360-Grad-Gemälde wurde bei der etwa 10 Minuten dauernden Nachstellung je nach Tageszeit in verschiedene Farben getaucht.

Die hellen Flecken symbolisieren hier Kampfhandlungen in der Nacht. Da an allen "Ecken" synchron Dinge passierten, war es gar nicht so einfach, das Ganze im Auge zu behalten.

Die Präsentation dauerte ca. 7 Minuten und wurde von einem Moderator geführt, der auf die wichtigsten Punkte in der vom 1. bis 3. Juli 1863 geführten Schlacht hinwies. Das ca. 2400 Einwohner zählende Städtchen wurde dabei von 160.000 Soldaten überrannt, von denen etwa 7500 den Tod fanden.

Nach dem Ende der Vorführung konnte man ein Facsimile des gewaltigen Gemäldes ansehen, das Kommentare und Hinweise enthielt. Ganz ehrlich: Kreisrunde Gemälde, mehrere Meter hoch und viele Meter lang, waren bislang vollkommen an mir vorübergegangen. Ok, ich lebe auch etwas spät, um von dieser Erfindung noch was zu haben, das war im ausgehenden 19. Jahrhundert eine tolle Sache. Umso toller fand ich es, dass dieses Gemälde erhalten werden konnte und heute noch zu sehen ist.

Das Museum selber besteht erst seit einigen Jahren an der neuen Stelle, somit ist es exzellent aufgemacht. Die Informationsfülle ist für einen einzelnen Besuch viel zu groß, man kann nur Bruchteile mitnehmen. Die Sammlung der unterschiedlichsten Gegenstände hat einen leichten Einstieg versprochen.

Thematisch geordnet ging es weiter - neben Musikinstrumenten und Waffen wurden auch alle möglichen Gebrauchsgegenstände hergezeigt. Neben der Versorgung mit Lebensmitteln (mehr schlecht als recht) fand ich auch die Informationen zur medizinischen Ausstattung nicht uninteressant.

Unter diesem monumentalen Facsimilie eines Gemäldes ist die Zahl teilnehmenden Soldaten aus den verschiedenen Bundesstaaten aufgelistet, getrennt nach Union ("Nordstaaten") und Confederates ("Südstaaten"). Während aus den im Westen gerade neu erschlossenen Gebieten zum Teil nur einige Hundert Mann zur Nordstaaten-Armee stießen, waren sich andere Staaten nicht so einig: Aus vielen Bundesstaaten erfolgten Registrierungen sowohl für die eine als auch für die andere Seite. Was heute wie schwarz/weiß aussieht, war damals lange nicht so klar. Auch waren die als Hauptgrund wahrgenommenen Sklaven nur einer der Auslöser für den Krieg, wobei andere Faktoren deutlich mehr Gewicht hatten.

Interessant fand ich die unterschiedlichen Interpretationen der amerikanischen Flagge, die einem immer wieder unterkamen. Hier handelt es sich um die 34-Stern-Variante, die durch den ganzen Krieg hindurch von der Union verwendet wurde. Die Nordstaaten hatten die Sezession nie akzeptiert, weshalb die 11 "abtrünnigen" Staaten weiterhin auf der Flagge aufschienen (Amerika hatte damals noch nicht mehr Bundesstaaten). Die Konföderierten hingegen versuchten sich abzugrenzen, indem sie eine Flagge entwarfen, die nur 3 Streifen enthielt (rot-weiß-rot) und im blauen Feld 11 Sterne aufwies, von denen sich 10 ringförmig um den 11. gruppierten.

Mit allerlei Diagrammen und Karten wird versucht, dem Besucher die Schlacht und die Strategie näher zu bringen. Das theoretische Wissen hilft bei der nachfolgenden Schlachtfeldbefahrung, ist allerdings aufgrund der schieren Unvorstellbarkeit des Ganzen doch einigermaßen abstrakt.


Ein Teil der Ausstellung ist der berühmten Rede von Abraham Lincoln gewidmet. Die Gettysburg Address, die der Präsident am 19.11.1863 anlässlich der Eröffnung des Friedhofs für die in der Schlacht gefallenen Soldaten hielt. gilt bis heute als eine der besten Reden. Lincoln war nicht der Hauptsprecher, sondern sollte nur nach der Hauptrede einige Worte sagen. Rückblickend muss ich sagen, dass zu dieser Sache etwas mehr Information nicht geschadet hätte, aber der Wikipedia-Artikel gibt Interessierten einen brauchbaren Ausgangspunkt.

Dieses Bild habe ich aus zwei Gründen für das Posting gewählt: einerseits, weil ich die Reflexion mag, und andererseits, weil der Satz für mich die wohl zur Motivation nötige Selbstverblendung gut aufzeigt. Die Sonderausstellung zeigt Briefe von Soldaten und deren Familien, die einen Einblick in das Gedankengut bieten.

Nach dreieinhalb Stunden Museum haben wir auf dem Weg zum Schlachtfeld noch ein kleines Shooting mit Präsident Lincoln veranstaltet. Ich finde, er ist ganz gut getroffen, wenn man sich die Bilder ansieht, die von ihm existieren. Im Gegensatz zu anderen Präsidenten, deren Aussehen noch von Malern festgehalten werden musste, und die entsprechend oft befremdlich unterschiedlich wirken, gab es zu Lincolns Zeit schon Fotografie. Er sieht sich also in Gemälden, auf Fotos und in Statuen immer recht ähnlich.

Nach Antietam im November 2009 war das nun mein zweites Battlefield. Wie auch das Pendant in Maryland ist das Schlachtfeld in Gettysburg von vielen Monumenten übersäht.

Ich weiß nicht, woran es lag, aber irgendwie konnte ich mir die Schlacht in Antietam besser vorstellen, das Schlachtfeld ist irgendwie nachvollziehbarer als in Gettysburg (obwohl sie beide auf eine ähnliche Art konserviert worden sind). Das Museum ist in Pennsylvania deutlich besser, aber dennoch würde ich jemandem, der sich mit der Materie befassen würde, eher zu Maryland raten.

Die vom Museum ausgehändigte Karte gibt einen fahrbaren Rundkurs an und erklärt einige der Monumente. Bei den Kanonen sind sie ganz streng: Die sollen laut Augenzeugenberichten da aufgestellt worden sein, wo auch ursprünglich welche standen (ehrlich - welcher Soldat, der mit dem Leben davongekommen ist, kann sich erinnern, wo bei einer der vielen, vielen Schlachten, die er mitgemacht hat, eine Kanone gestanden hat?). Also war die Devise, die Dinge nicht zu bewegen - wären auch etwas schwer. Taugen somit auch nicht als Souvenir ;)

Der nächste Weg führte uns zum Hauptplatz, der bezeichnenderweise Lincoln Square heißt. So richtig amerikanische Kleinstadt halt.

Das rote Haus ganz rechts im Bild ist jenes von David Wills, der den Friedhof initiiert hat, zu dessen Eröffnung Lincoln seine berühmte Rede hielt. Hier übernachtete der Präsident vom 18. auf den 19.11.1863 und legte vermutlich noch letzte Hand an sein Werk.

Eine der Straßen, die vom Kreisverkehr wegführen - als letzte Impression, weil auch das für mich ein recht typischer Blick für die Innenstadt einer amerikanischen Kleinstadt ist.

Nach der ganzen Geschichtsdröhnung haben wir dann noch ein paar Präsidenten ausgegeben - im Outlet haben wir das Shopping nachgeholt, für das wir bis dahin eigentlich nicht wirklich Zeit gehabt hatten. Die Ausbeute war reichlich. Den letzten Abend auf amerikanischem Boden haben wir dann in einem italienischen Lokal genossen und versucht, weder an die monumentale Aufgabe des Umpackens noch an den 24 Stunden später erfolgenden Rückflug zu denken. Geschafft haben wir im Endeffekt dann doch alles ;)