Rollen wir die Reise also von hinten auf, inspiriert von diesem Cartoon aus der Double Take Toons-Serie von NPR. Am letzten Tag der Reise, auf dem Weg von Gettysburg, PA, zurück zum Flughafen JFK in New York haben wir einen Zwischenstopp eingelegt:
Beim ehemaligen Labor eines der produktivsten Erfinders in den Vereinigten Staaten, Thomas Alva Edison. Ab 1886 bis zu seinem Tod hat er hier gewaltet und viele seiner über 1000 Patente erwirtschaftet. Heute vom National Park Service bewirtschaftet, sind Labor und Haus gegen einen geringen Obulus von 7$ zu besichtigen.
Ich habe bislang offen gestanden bei Edison immer nur an die Glühbirne gedacht. Erst hier habe ich entdeckt, was der Mann - unter Mithilfe eines großen Teams - alles auf die Beine gestellt hat. Unter anderem war er einer der ersten, der ein Stechkartensystem eingeführt hat, um die Zeiten der Mitarbeiter nachvollziehbar zu loggen. Bei genauer Betrachtung zeigt die Uhr zwei Zeigerpaare: ein physisches, das über das Uhrwerk gesteuert wird, und ein aufgemaltes, das mit 10 nach 7 jene Uhrzeit anzeigt, zu der Edison nach der Trauerfeier zum letzten Mal das Haus verlassen hat.
Die Bildqualität bitte ich zu entschuldigen - die Linse war dreckig und ich hab's nicht mitbekommen. Die Bilder möchte ich aber dennoch herzeigen. Eines der Herzstücke des Laborkomplexes ist die mehrstöckige Bibliothek von Edison. In diesem Raum habe ich mich sofort wohl gefühlt und wollte in den Regalen wühlen, mich mit einem Buch zurückziehen - der perfekte Ort für mich.
Neben Büchern zieren auch noch einige Kunstgegenstände und Erfindungen den Raum - so wie diese frühe Filmkamera. Wer hätte gedacht, dass der Mann beim Transport von Information sowohl beim Film als auch bei Musikwiedergabe als auch beim Telegraphen seine Finger im Spiel hatte?
Obwohl die viktorianische Scheußlichkeit, die Edison sein Heim nannte, nur wenige 100 m von seinem Labor entfernt war, hatte der große Erfinder ein Bett in seiner Bibliothek stehen. Wirkt sehr gemütlich - Schande über die Glaswand, die verhindert, dass Besucher das Feeling austesten ;)
Ein kleiner Blick in das Materiallager im Erdgeschoss. Gerüchteweise soll da alles vorrätig gewesen sein, außer dem Ohr eines Elefanten.
Besonders interessant fand ich die große Werkhalle im Erdgeschoss. Zweifelsohne wurde hier über die Jahre immer wieder modernisiert, aber der Antrieb über die an der Decke laufenden Riemen ist dennoch für Anfang 20. Jahrhundert ziemlich fortschrittlich. Es verwundert sicher keinen, dass Edison auch mit Henry Ford befreundet war.
Im ersten Stock findet sich eine ähnliche Halle. Während im Erdgeschoss grobe Arbeiten durchgeführt wurden, waren hier die Feinmechaniker zuhause. Das Bild im Vordergrund zeigt, wie es damals, als das Labor noch in Verwendung war, in dem Raum ausgesehen hat. Ich sehe da keinen großen Unterschied...
Ah, da haben wir sie, die berühmte Glühbirne. Nach ein bisschen Rumtricksen hab ich es sogar geschafft, dass die Glühwendel zu sehen ist. Irgendwie schon faszinierend, dass etwas, dass heute so selbstverständlich ist, noch gar nicht mal so alt ist. Übrigens hat Edison sie nicht erfunden, aber er hat das Konzept so weit verbessert, dass die Lichtspender auch praktisch einsetzbar wurden.
Der ganze Komplex ist ziemlich rustikal, weshalb mich die Existenz einer Damentoilette doch einigermaßen erstaunt hat. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts waren weibliche Angestellte in der Industrie mit Sicherheit ziemlich selten.
Auch das Vorhandensein eines Musikraums hat mich im ersten Moment erstaunt, war dann aber durch Erfindungen im Bereich von Musikwiedergabe (wir reden von Platten, nicht von mp3-Playern *gg*) gut erklärlich. Das Schild am Eingang wies auch rigoros darauf hin, dass der Aufenthalt im Musikzimmer nur aus professionellen Gründen gestattet sei - verlustieren durfte man sich hier also nicht ;)
Die originalen Schilder erzeugen gemeinsam mit der Täfelung Nostalgie. Kaum vorzustellen, wie dieser Betrieb aussehen würde, wenn er 120 Jahre später entstanden wäre.
Auch bei der Fotokamera hatte Edison Ambitionen. Wenn ich mir ansehe, was für ein kleines Gerät heutzutage unzählige Bilder anfertigt, und wie die Bilder früher entstanden sind, bin ich für den Fortschritt extrem dankbar. Wenn ich mit dieser Art von Equipment reisen müsste, dann gäbe es wohl keine Bilder von mir...
Huch, was mutet hier so modernistisch an? Unter dem Dach ist ein Lagerbereich eingerichtet. In den beleuchteten Vitrinen links und rechts des Gangs sind museumsartig Gegenstände aus dem Labor und Erfindungen ausgestellt. Dahinter stapeln sich in Regalen unzählige Dinge, die sich im Lauf der Zeit angesammelt haben. Wer weiß, was für Schätze da noch lagern mögen.
Ein letzter Blick über den Hof des Laborkomplex - zu schade, dass die Zeitmaschine immer noch nicht erfunden ist. Zu gerne hätte ich diesen Ort in voller Blüte erlebt, den Erfindergeist gespürt. Ich glaube auch, dass Edison ein bemerkenswerter Mann war, auch wenn nicht jedes seiner Patente allein auf seinen Geist zurückgeht, sondern viele aus der Arbeit des Teams entstanden sind.
Mit einem Erlaubnisschein für die Einfahrt in die "gated community" und vielen Ermahnungen über das ordentliche Verhalten versehen, ging es weiter zum Heim des Erfinders - von mir nur "viktorianische Scheußlichkeit" genannt:
Puh, wer lässt sich sowas einfallen? Und interessanter noch: wer möchte hier leben? Edison hat das Haus 1886 für seine zweite Frau Mina gekauft und hier dann mit ihr und den drei gemeinsamen Kindern gelebt. Der Vorbesitzer hatte sich finanziell übernommen und Edison bekam das Haus zu einem sehr günstigen Preis inklusive der ganzen Möbel und Ausstattung. Laut unserem Guide hat er kaum Änderungen vorgenommen außer natürlich der Einleitung von elektrischem Strom.
Sehr faszinierend fand ich dieses große Buntglasfenster, das dem großzügig geschnittenen, aber dunklen Haus fast die Anmutung einer Kirche gibt. Klar, Geschmäcker sind unterschiedlich, von Person zu Person ebenso wie von der Epoche abhängig, aber ich habe mich doch wiederholt gefragt, wie man so leben möchte.
Nicht nur die Möbel, sondern auch die Teppiche, die Tapeten, die Böden - alles soll original sein, es hat laut Guide nie eine Renovierung stattgefunden, was ich in über 130 Jahren schier unfassbar finde. Die Felle, die am Boden rumliegen, befanden sich übrigens mal an lebenden Tieren - Artenschutz kam wie so viele Errungenschaften auch erst später.
Ok, die Edisons hatten Bedienstete, aber wenn ich mir vorstelle, was hier an Reinigungsaufwand dahintersteht...
Eine Orgel im Wohnzimmer? War damals scheinbar nicht unüblich. Die Gattin und die Tochter sollen das Instrument auch beherrscht und gespielt haben (ja, ich hab gefragt).
Der Master Bedroom, als das Schlafzimmer der Edisons. Sieht irgendwie größer aus als meine ganze Wohnung. Auch hier ist kaum zu glauben, dass die Tapeten original sind. Als kleine Fehlersucherin habe ich natürllich darauf geachtet, ob irgendwo Schäden feststellbar sind - bis auf etwas abblätternde Deckenfarbe im Dienstbotenbereich war für mein laienhaftes Auge nichts festzustellen.
Ein Badezimmer mit fließend Wasser war in den 1870ern, als das Haus entstand, noch nicht State of the Art. Umso interessanter ist die Nasskammer somit. Allerdings war das auch das einzige Bad für die Familie, die Bediensteten mussten sich mit geringeren sanitären Einrichtungen zufrieden geben.
Was soll dieses einsame Bild eines Heizkörpers? Eigentlich nicht so wirklich erwähnenswert, abgesehen davon, dass - ja, ich weiß - auch Heizung nicht Standard war. Und abgesehen davon, dass mir dieselben Wärmespender bereits im Labor aufgefallen sind. Entweder gab es damals nur eine Art von Heizkörper, oder auch die Heizung wurde von Edison nachgerüstet. Allerdings habe ich den Guide danach nicht mehr gefragt, den hatte ich eh so schon genug gelöchtert.
Die Waschküche - auch die war natürlich damals nicht Standard. Und sieht sie nicht so aus, als ob gleich jemand mit gestärkter Schürze und Häubchen reinhuschen würde, um sich um die Wäsche zu kümmern?
Den Abschluss bildet dieses Bild der Küche - der einzigen Kochstelle für den Haushalt. Für die Größe des Hauses war die Küche sehr klein bemessen, sie war vielleicht 20 Quadratmeter groß. Wie das alles funktioniert hat, wenn die Edisons Gäste hatten - keine Ahnung. Aber es schien möglich gewesen zu sein, sonst hätte der findige Hausherr sicher was geändert.
Das war nun unser Stop auf dem Weg zum Flughafen. Sehr interessant und lehrreich, ich habe einiges gelernt, das ich noch nicht wusste. Auch ein funktionstüchtiges Haus aus der Zeit zu sehen, war aufschlußreich. Wer mal einen New York-Besuch macht und Zeit "übrig" hat, um sich auf die andere Seite des Hudsons zu begeben, kann hier einen tollen halben Tag verbringen.
The Madness: A Brilliantly Sane and Relevant Thriller
vor 11 Stunden