Freitag, 18. Juni 2010

Reisebericht Kanada - die Museen

Meiner Faszination für Museen habe ich natürlich auch in Kanada nachgegeben. Im Schnitt kam ich auf ein Museum pro Tag. Das Science-Museum in Toronto war wenig interessant, im Museum von Niagara on the Lake, das ich toll fand, war fotografieren nicht erlaubt, und das Museum für Stadtgeschichte in Montreal hat nicht besonders viel hergegeben. Somit zeige ich hier nur vier der sieben besuchten Wissensstätten her.

Gleich am Anfang gehen wir in die Vollen: Das Musée Canadien des Civilisations in Hull/Gatineau, QC, der Stadt, die Ottawa direkt gegenüberliegt. In die Vollen deswegen, weil es jenes Museum ist, das mir von der Präsentation am Besten gefallen hat von allen Museen, in denen ich bislang war. Und das sind ja jetzt nicht so wenige ;)

Wenn man den Rundgang so beginnt wie ich, dann kommt man zuerst zu dieser beeindruckenden Plastik. Sie zeigt den "Chief of the Undersea World" und soll an indianische Kunstwerke erinnern.

Gleich darauf gehts zum Lageplan - bin ich die Einzige, die diese organischen Formen irgendwie phallisch deutet? ;) Aber man findet sich gut zurecht und es ist alles ausgeschildert.

Das Museum beschäftigt sich damit, wie sich die Gesellschaft in Canada entwickelt hat, von den Ureinwohnern bis hin zum heutigen Stand. Wichtige Personen in der Geschichte werden so beschrieben, und man lernt einige sehr interessante Dinge.

Das, was mich am meisten beeindruckt hat, ist der Straßenzug, der aufgebaut wurde. Die Häuser sollen an Toronto in den 1890ern erinnern. Es gibt eine Kirche, eine Bahnstation, Läden, ein Anwaltsbüro, eine Druckerei und vieles mehr.

Die Kirche ist ein ukrainisches Gotteshaus, und ich finde, dabei handelt es sich wirklich um etwas besonderes. Und zwar ist das nicht einfach eine nachgebaute Kirche, sondern das Gotteshaus, das an seinem ehemaligen Standort nicht mehr stehen bleiben konnte, wurde abgetragen und hier originalgetreu wieder aufgebaut.

An hohen orthodoxen Feiertagen kommt die Gemeinde, die ihre Gottesdienste früher hier gefeiert hat, immer noch hier her und die Kirche wird immer noch für religiöse Zwecke genutzt. Nachdem sie wieder aufgebaut wurde, wurde sie auch erneut geweiht und ist somit nicht nur ein Museumsstück.

Gegenüber der Kirche steht dieser kleine ukrainische Musikladen. In den Vitrinen liegen viele kuriose Dinge und das Ganze ist sehr liebevoll gestaltet. Und eine Hommage an diese Gruppe der Einwanderer.

Das Erdgeschoss des großen Saales ist den "First Nations" gewidmet. Hier stehen auf beiden Seiten viele Totempfähle, und auf der rechten Seite geht es in weitere Ausstellungsräume, die die Geschichte und die Bräuche der Ureinwohner aufzeigen.

Unter anderem diese Figur, die nach indianischem Glauben die Geburt von Gut und Böse zeigt. Die Himmelsfrau erwartet Zwillinge, eben Gut und Böse. Der böse Sohn ist eifersüchtig auf den guten, der zuerst geboren werden soll. Also bahnt er sich seinen Weg durch die Seite seiner Mutter und bricht durch die Rippen.

Ein Teil des Museums ist dem Postwesen Kanadas gewidmet. Neben Informationen finden sich dort auch Bilder aus Briefmarken, die zur Dekoration dienen. Dieses hier zeigt das Parlament von Ottawa. Gemacht ist es aus gebrauchten Briefmarken, solchen, die also schon zur Beförderung benutzt wurden. Die Bevölkerung hat beim Sammeln geholfen.

Und hier noch ein Bild vom Skulpturengarten, der im Park des Museums steht, mit Blick auf das Parlament von Ottawa. In diesem Park gibts zum Beispiel auch noch einen indianisch inspirierten Vogel am Teich, und überhaupt ist es ziemlich hübsch dort. Als Einheimische würde ich sicher häufiger dort picknicken oder so.

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Weiter geht es in Montreal, mit zwei raschen Bildern vom Musée McCord. Das ist ein Museum, das mit Stücken aus der Sammlung von David McCord ausstaffiert ist. Auch hier gibt es unter anderem Totempfähle, es gibt Abhandlungen zum Wetter von Montreal und zur religiösen Geschichte - alles nicht unbedingt zusammenhängend, aber durchaus interessant.

Hübsch fand ich dieses metallene Diorama an einer der Gebäudeseiten, sowas hatte ich zuvor noch nie gesehen.

Auf der anderen Seite steht eines dieser Steinmännchen, die unter anderem Inspiration für das Olympia-Logo für die Spiele in Vancouver war.

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Die Fassade dieses tollen Museums habe ich in meinem Toronto-Bericht schon gezeigt - es handelt sich um das Royal Ontario Museum.

Für die Terrakotta-Armee war ich leider zu früh, diese Ausstellung begann erst im Mai. Aber eigentlich wollte ich hier auch mehr auf den Flugsaurier hinaus, der im modernen Frontanbau vor sich hinschwebt.

Scheinbar gibt es hier so viele Ausstellungsstücke, dass man auch schon mal ein paar Dinos in den Lounge-Bereich stellen kann. Diese Sofas sind eine Wohltat für ausgepowerte Museumsbesucher - und erschöpfend kann es durchaus sein.

Ich wurde mal gefragt, ob die Fassade nur Schau ist, oder ob man von innen auch etwas davon mitkriegt - wie man sieht, tut man das. Diese Art der Präsentation der Schaustücke finde ich auch wirklich ansprechend. Aber ich steh ja generell auf solche Spannungsfelder zwischen alt und neu.

Und wie man sieht, davon gibt es hier mehrere. An Dino-Skeletten mangelt es hier nicht, aber zu meinem Leidwesen habe ich herausgefunden, dass hier ein wenig geschummelt wird.

Wie man auf der Abbildung sieht, sind nicht alle Knochen so eines Skeletts echt - die orangen sind Original, die blauen ein Nachbau und die weißen gibt es nicht (wobei ich nicht verstehe, dass man nicht alle Knochen nachbaut, wenn man schon schummelt). Andererseits habe ich mir auch schwer getan mir vorzustellen, dass das Museum of Natural History in New York nur lauter komplette Skelette hat - dort war aber, soweit ich mich entsinne, nichts gekennzeichnet. Da ziehe ich diese Methode eindeutig vor.

Aussehen tut das dann so wie auf diesem Bild - man kann keinen Unterschied erkennen, wobei ich das eigentlich erwartet hätte. Wenn man die künstlichen Knochen schon kennzeichnen kann, dann kann man es auch am Skelett tun. Etwas rechts der Mitte im Vordergrund ist ein Mammutzahn ausgestellt, und der ist "Hands on", heißt, man darf ihn berühren und sich vorstellen, wie so ein Mammut sein Futter zerkleinert hat. Ob der echt ist oder repliziert, wird nicht angegeben, aber im Sinne der Wissenschaft vermute ich letzteres.

Das ROM ist ein sehr vielseitiges Museum, das noch wesentlich mehr zu bieten hat als nur Dinos. Unter anderem gibt es mehrere Abteilungen zu asiatischen Kulturen, eine Ägyptologie-Abteilung, etwas zu europäischer Geschichte, selbstverständlich eine Ausstellung zu den "First Nations" und vieles weitere mehr. Ich kann also nur absolut exemplarisch was zeigen, für sich da alles befindet. Das oben abgebildete chinesische Dach (eines Tempels?) ist übrigens exaktestens eingepasst - zwischen die Seite des Daches und die Wand des Gebäudes passt grad mal ein Blatt Papier.

Architektonisch gibt es nicht nur die bereits mehrfach besprochene ultramoderne Fassade, sondern vor allem viel alte Bausubstanz, die ein wenig an die Prunkbauten entlang der Wiener Ringstraße erinnert. Die Decke hier hat mir besonders gut gefallen.

Was man hier sieht, ist etwas, das das Museum "Staircase of Wonders" nennt. Scheinbar gibt es so eine Fülle von Exponaten, die nirgends untergebracht werden kann, dass sie ohne weitere Beschreibung in solchen Vitrinen in den Stiegenhäusern ausgestellt werden.

In der Abteilung für Edelsteine und Erze habe ich dieses seltsame Gebilde gefunden. Es ist eine Sandsteinformation aus dem Pariser Becken und erinnert mich entfernt an das Michelin-Männchen. Schon spannend, was die Natur so alles hervorbringt.

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Nur wenige Blocks vom Royal Ontario Museum liegt das Bata Shoe Museum. Es stand auf meiner Liste, und ein Beitrag im Radio, den ich auf dem Weg von Niagara Falls nach Toronto gehört habe, hat mich in dem Entschluss bestärkt, dorthin zu gehen. Es hat sich auch wirklich gelohnt, denn es war sehr interessant.

Im Untergeschoss wird die Geschichte des Schuhs beleuchtet, die Geschichte von Schuhwerk in verschiedenen Gesellschaften, die Bedeutung in verschiedenen Religionen und der Schuh als Massenprodukt. Es werden die verschiedensten Schuhe ausgestellt, unter anderem Kuhschuhe, Rasenlüfterschuhe und diese Mondschuhe.

In dieser Vitrine stehen Schuhe von berühmten Persönlichkeiten und es läuft ein Film, der zu jedem Schuh und seinen Trägern etwas erzählt. Die weißen Lackschuhe mit blau links unten gehörten zum Beispiel Elvis, der einsame Zebraschuh daneben Pablo Picasso. Der blaue Tennisschuh müsste von Andre Agassi sein, die Stiefel links davon von Winston Churchill und die pinkfarbenen Pumps sind aus dem Besitz von Marilyn Monroe.

In diesem Raum fand eine Sonderausstellung zum Thema Socken und Strümpfe statt. Die Deko fand ich nett.

Neben der Geschichte der Socken, der Manufaktur und einigen interessanten Fakten, wurden Socken aus aller Welt gezeigt wie diese hier. Zudem gab es auch Socken von berühmten Persönlichkeiten wie zum Beispiel Königin Victoria. Alles in allem eine spannende Sache zu einem Thema, über das ich mir nie wirklich viele Gedanken gemacht habe.

Ein weiterer Ausstellungsraum widmete sich dem indianischen Schuhwerk. Da hatte jeder Stamm seine eigenen Muster und es gab unterschiedliche Fertigungsmethoden. Wenn ich mir ansehe, wie liebevoll viele Schuhe bestickt waren, kann ich mir kaum vorstellen, wie viel Arbeit da drin steckt.

Eine andere Ausstellung widmete sich frühen Arten von Plateau-Schuhen. Da waren Folterinstrumente dabei, die ich mir kaum vorstellen konnte, von deren Existenz ich nichts geahnt habe. Da ist so ein moderner Stöckelschuh echt eine Wohltat.

Diese Form von Schuhwerk, für die ich nicht mal einen Namen kenne, schien aufgrund der Vielzahl der Exponante ziemlich verbreitet gewesen zu sein. Es wurde nicht nur die Machart beschrieben, sondern auch die gesellschaftliche Bedeutung und die Vorzüge im Alltag. Dennoch bin ich mit dem, we ich heutzutage tragen darf, wesentlich zufriedener als mit der Vorstellung auf solchen Stelzen durch die Gegend zu staksen...

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Tja, das war sie nun, meine Auswahl von Museen in Kanada. Das Zivilisationsmuseum ist in meinen Augen das Interessanteste, das ich je besucht habe - ich kann es nur jedem empfehlen. Das ROM war auch sehr spannend, obwohl ich an sich kein besonderer Freund von Museen mit so breiter Streuung bin. Und das Schuhmuseum ist etwas, über das ich bisher noch nie gestolpert bin, und somit war der Besuch dort auch was Besonderes. Die kleineren Museen waren jetzt nicht so herausragend, aber auch sie waren den Besuch wert. Einzig das Wissenschaftsmuseum in Toronto war Zeitverschwendung. Spannenderweise ist es schon das zweite Museum dieser Art, das ich so bewerte, obwohl ich technische Museen an sich mag. Aber man kann halt nicht alles gut finden...